Ein Tram voller Teenager. Wie meist, schön gruppiert nach Männlein und Weiblein. Die Worte fliegen hin und her, sowohl verbal wie offenbar auch gleichzeitig via die ständig betippten Smartphones. Der Unterhaltungswert ist den adoleszenten Interessengebieten angemessen, ausserdem fehlt die elektronische Metaebene. Offenbar hatten die jungen......
Über Warten und sauren Kaffee
Ich kann Warten. Jeder der etwas ausführlicher mit der Spitalmaschinerie in Berührung kam, lernt dies gezwungenermassen.
Manchmal ist der Warterei aber genug. Zum Beispiel jetzt. Ich sitze vor einem sauren Kaffee.
Angefangen hat es damit, dass das WoMo schon seit Melbourne unter Last ruckelt. Dann kann das eine Luftkissen, dass den Aufbau abfedert keinen Druck mehr aufbauen. Ausserdem leckt das Lavabo in der Dusche und am Ende der Great Ocean Road beginnt die Klospülung selbständig zu operieren. Trotz mehrfachen Kontaktversuchen meldete sich die Versicherung des Verkäufers tagelang nicht. Der Journalist ist sauer. Ich organisiere in Adelaide einen Termin bei Ford und bei einem WoMo-Bauer. Vor Ostern, dem letzten langen Wochenende im Herbst, schier ein unmögliches Ding.
Die Jungs beim WoMo-Bauer kümmern sich mal ums Klo, da muss nur die Elektronik getauscht werden. Für die anderen Probleme weisen sie uns weiter. Während wir auf das Ersatzteil warten, bauen wir kurzerhand einen Trinkwasserfilter und eine neue Dachluke mit Ventilation ein.
Der Kerl, der den sauren Kaffee gebracht hat, hat so einen dichten Bart und ein Flanellhemd an, sein Kollege trägt bei warmem Spätsommerwetter ein gestricktes Beanie.
Die Fordgarage tauscht den verdreckten Dieselfilter. Für das Luftkissen schicken sie uns zu den Spezialisten von Pedders, einmal über die Strasse. Hydn kriecht unter das Fahrzeug und sieht sofort, dass das Luftkissen geplatzt ist. Auf sein Anraten kontaktiere ich den WoMo-Hersteller, aber der ist seit zwei Jahren nicht mehr im Geschäft. Also krieche ich selbst unter das Fahrgestell, reinige die Federung und kann auf dem spröden Gummi doch noch Hersteller und Artikelnummer ablesen. Ein europäisches Produkt. Na danke.
Hyden verspricht das Originalteil in Australien ausfindig zu machen. Vergeblich. Es müsste aus Italien geliefert werden. Zwischenzeitlich ist die Hebebühne frei. Das WoMo wird in die Höhe gestemmt und gründlich untersucht. Nicht nur das eine Luftkissen ist hinüber, die ganze Luftfederung sollte ersetzt werden und auch die hinteren Stossdämpfer sind im Eimer. Gute Nachricht, Pedders kann das alles ersetzen, schlechte Nachricht, die Ersatzteile kommen aus Brisbane. Das liegt in Queensland, gut 1600 km entfernt, Luftlinie. Hyden will alle Hebel in Bewegung setzten, aber vor Ostern kommen die Teile nicht mehr an. Wir vereinbaren einen Termin auf Mittwochmorgen nach den Festtagen.
Der saure Kaffee kommt aus dieser hochpolierten italienischen Maschine, die da auf dem schlichten schwarzen Tresen steht. Einige glutenfreie Brownies liegen in der Vitrine, ein Mohnkuchen auch.
Über die Ostertage besuchen wir Adelaide und das Pferderennen in Oakbank. Ich sehe ein 550 Millionen Jahre altes Fossil, das Missing Link Spriggina floundersi, tanze wunderschönen Blues, paddle Kajak auf dem Meer und baue zur Abwechslung für mehr Wumms einen Subwoofer ins WoMo ein.
Am Dienstag ruft Hyden an. Leider sei das Ersatzteil noch nicht geliefert worden, aber bis Mittwochnachmittag sei es bestimmt da.
Das Lokal mit dem sauren Kaffee, der bärtigen Bedienung und dem glutenfreien Gebäck, gefällt mir. Die Wände sind weiss getüncht, die alten Oblichter lassen viel Licht herein und das Mobiliar ist ebenfalls schlicht.
Am Mittwochmorgen hat der Journalist einen Termin bei der lokalen U-Boot-Schmiede. Wärend dessen hänge ich in weniger martialischen Werften herum. Haydn meldet sich. Er ist frustriert. Der Kurrier hat das Ersatzteil im Lager verloren. Sofort hat er ein Zweites per Express geordert. Am Donnerstag soll es sicher ankommen. Der Journalist ist ob der Nachricht „not amused“. Wir hoffen, suchen uns einen neuen Campingplatz und ich flicke einige Steinschlagschäden in der Windschutzscheibe.
Die Sonne steht hoch über dem ehemaligen kleinen Handwerksbetrieb, der heute so ein nettes Kaffee abgibt. Die Mischung aus Ethno-Jazz-Lounge-Musik ist ebenfalls gefällig, wenn nur der Kaffee nicht so sauer wäre.
Um zehn stehen wir am Donnerstag bei Pedders vor der Türe. Nein, der dunkelbraune Truck des Kurriers sei noch nicht vorgefahren, entschuldigt sich ein sichtlich nervöser Haydn. Pedders werde uns übrigens die Frachtkosten nicht verrechnen. Ob wir eventuell mal einen Kaffee trinken wollen? Das WoMo könne da bleiben, er rufe uns an, sobald alles gemacht sei.
Das Kaffee mag ja schön sein, die Musik belanglos aber angenehm, der Avocado-Känguru-Wrap fein, aber: Ich. Habe. Genug. Gewartet.
Da klingelt das Telefon. Pedders meldet sich. Ja, alles ist gekommen und Hyden sei mitten in der Montage. Endlich.
Ich verlange nach der Rechnung. Wie uns denn der Kaffee geschmeckt habe, will der Bärtige wissen, der sei doch herrlich frisch und fruchtig.
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